Predigt
Liebe Gemeinde,
in der letzen Woche hat Felix Gehring mit seiner bewegenden Predigt eine Predigtreihe eröffnet mit dem Titel: „Hinter den Kulissen – die Verletzungen der Seele!“
Darin wurde deutlich, dass fast jeder von uns Verletzungen in sich trägt – und zwar in vier verschiedenen Bereichen:
1. Kindheit – z.B. durch Sätze, die uns geprägt haben: „Du hast 2 linke Hände…“ – „Du lernst das nie!“
2. Partnerschaft, Freundschaft und Familie. – das ist der Bereich, wo wir Menschen ganz nah an uns heran lassen – da sind wir eben auch ganz verletzlich!
3. im gesellschaftlichen Bereich: in Beruf, Schule und Freizeit – wenn die Mitschüler jemanden wegen eines körperlichen Makels ärgern oder wir im Beruf gedemütigt oder gemobbt werden. Ü letzte Woche auf dem Kongress christlicher Führungskräfte. Da berichtete eine Führungskraft aus der Wirtschaft von demütigendem Verhalten, das er in seinem Berufsleben erlebt hat – als Opfer, Zuschauer und auch als Täter. Da wurde mir noch einmal klar, wie viele Menschen im Berufsleben verletzt werden und andere verletzten.
4. Und der vierte Bereich ist auch ziemlich bitter: Es gibt auch die Verletzungen in der Gemeinde – das hat mich sehr betroffen gemacht, als Felix daran erinnerte.
Aber es zeigt einfach: Wir sind auch als Christen weiter fehlerhafte Menschen und wir sind noch nicht im Himmel angekommen. In der Gemeinde öffnen wir uns oft ziemlich weit und machen uns dadurch verletzbar – und dann kommt es zu Verletzungen, auch wenn wir eigentlich dasselbe Ziel verfolgen: Möglichst viele Menschen für Gott und den Glauben zu begeistern.
Wie kann man nun mit den verschiedenen Verletzungen umgehen?
Felix Gehring hat ja zunächst nur gesagt, wie es nicht geht.
Dass „Dr. Zeit“ z.B. nicht alle Wunden heilt.
> Und er hat aufgezeigt, dass es keine gute Lösung ist, sich eine Glatze zu rasieren und 1 Woche kalt zu duschen, um eine Verletzung zu überwinden! :-) fragen Sie ihn mal, warum er das gemacht hat, falls Sie die Predigt nicht gehört haben.
Das Thema „Verletzungen der Seele“ ist kein einfaches und auch kein schönes Thema.
Aber es ist sehr wichtig, auch wenn es nicht schön ist.
Wenn wir diese Predigtreihe gewählt haben, dann nicht, um Sie und Euch innerlich aufzuwühlen, sondern weil wir überzeugt sind, dass innere Verletzungen wie Glaubensblockaden wirken können.
Sie zehren unsere Vertrauensbereitschaft auf. Sie verschließen uns für Gott und andere Menschen.
Darum soll es nun um erste Schritte zur Heilung von Verletzungen gehen.
Ich bin mir natürlich bewusst, dass ich heute Morgen diesen Heilungsweg nur andeuten kann, denn es ist u.U. ein längerer Prozess, den wir zu gehen bereit sein müssen.
Für einige Schritte werden wir längere Zeit brauchen, für andere sogar Begleitung durch einen Seelsorger oder Therapeuten.
Es sind 8 Schritte, die ein erfahrener Seelsorger (Vgl. Krause, Burghard. Christ werden – Christ bleiben.) einmal zusammen gestellt hat, die ich uns heute vorstellen möchte.
In Anlehnung an Anselm Grün könnte man sagen:
Innere Heilung - der achtfache Weg Jesu zu einem gelingenden Leben.
Noch drei Vorbemerkungen:
1. Dieser Weg und diese Schritte helfen mir nur, wenn ich sie auch gehe!
2. Die Reihenfolge der Schritte kann auch anders aussehen, als ich sie skizzieren werde.
3. Und es gibt sicher auch noch andere Schritte und Wege, die Gott mit Menschen geht!
Aber ich bin aus eigener Erfahrung davon überzeugt:
Der Weg lohnt sich wirklich, es ist ein Weg in die Freude und zum Frieden mit Gott, sich selbst und anderen Menschen.
Der 1. Schritt:
1) Abschied vom Selbstmitleid
Wenn wir wirklich wollen, dass unsere Verletzungen heilen, dann dürfen wir sie nicht länger hegen und pflegen wie einen schönen Garten.
Vielleicht kennen Sie solche Menschen: „Schaut mal wie verletzt ich bin!“
> Solche Menschen sind mir schon manchmal in der Seelsorge begegnet – und sie merken es selber gar nicht. Sie sind gefangen in ihrer Verletzung.
Abschied vom Selbstmitleid – in Apostel steht dafür auch unser lila Armband – das Zeichen für die jammerfreie Zone!
Es tut natürlich gut bemitleidet zu werden, aber nicht auf Dauer –uns nicht und vor allem nicht denjenigen, die uns bemitleiden sollen.
Durch anhaltendes Selbstmitleid erfahren wir keine Heilung.
Wir haben vorhin in der Lesung (Joh.5,1-8) gehört, dass Jesus an einen großen Teich gekommen ist, der umringt war von vielen Kranken, die sehnsüchtig auf Heilung warteten.
Ein großes Freiluft-Krankenhaus. Dort lag ein Mann seit 38 Jahren gelähmt auf seiner Matte. Es gibt tatsächlich Menschen, die über Jahre auf Verletzungen festliegen - wie gelähmt, unfähig Schritte ins Leben zu tun.
Nun könnte man vermuten, dass Jesus schnurstracks auf den Mann zusteuert und ihn sofort heilt. Aber das tut er nicht.
Stattdessen stellt er ihm zunächst eine wichtige Frage:
„Willst du gesund werden?"
Eine makabere und überflüssige Frage – denken wir vielleicht.
Was wünscht sich einer in dieser Situation denn mehr, als endlich wieder auf die Beine zu kommen!
Und dennoch ist die Frage für Jesus wichtig. Warum?
Weil man selbst noch aus seinen Verletzungen Kapital schlagen kann, z.B. durch das Selbstmitleid, mit dem man kokettieren kann.
Also lassen auch wir uns die Frage gefallen:
„Willst du wirklich gesund werden, willst du heil werden und aus das Selbstmitleid aufgeben?“
Das ist der erste und entscheidende Schritt.
2) Die Wunden anschauen
Es ist wichtig, sich die Wunden im eigenen Lebensfilm an zu sehen. Oftmals sind uns die Verletzungen unserer Seele ja gar nicht bewusst.
> Bei mir als junger Erwachsener sind dann nach und nach Verletzungen aus der Kindheit erst bewusst geworden!
Es ist wichtig, die Verletzungen zu kennen und beim Namen zu nennen – dann verlieren sie schon ein wenig Macht.
Ich schlage Ihnen deshalb vor:
Nehmen Sie sich doch einmal in den nächsten Tagen in der Passionszeit Zeit, Ihre Verletzungserinnerungen aufzuschreiben. Keine schöne, aber eine wichtige Aufgabe, die uns weiter bringen kann.
Wir werden erstaunt sein, was sich da so alles angesammelt hat.
3) Begleitung suchen
Wir Menschen sind oft so, dass wir mit allem allein fertig werden wollen. Ich weiß von mir selbst, dass dieser falsche Stolz einen aber letztlich lähmt und nicht weiter bringt.
Ich halte es mittlerweile für überhaupt keine Schande, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im Gegenteil: Mutige und Starke Persönlichkeiten stehen zu ihren Schwächen und suchen sich Hilfe. Denn Seelsorge kann nach meiner persönlichen Erfahrung etwas sehr Befreiendes sein.
Das ist etwas, dass ich hier in der Gemeinde gerne noch mehr fördern möchte!
Es ist wirklich ein dummer Satz, wenn Leute sagen: „Da muss ich durch – das muss ich alleine mit mir ausmachen…“
Begleitung suchen kann ich bei einem guten Freund, Freundin, meinem Partner aber auch bei einem Seelsorger. > Pastoren, Silvia Petersen, Claudia Thalmann u.a.
Seelsorge geschieht sicher auch in den Genesisgruppen oder andere Kleingruppen.
Und die kostenlose, anonyme Telefonseelsorge-Nummer steht sehr bewusst auf dem Gemeindebrief immer auf der letzten Seite.
Denn manchmal ist einem die eigene Gemeinde ja zu dicht und man sucht erst einmal anonym Begleitung und Hilfe. Das kann ich gut verstehen.
Wie auch immer Sie sich Hilfe suchen: Aber bleiben Sie bitte nicht zu lange mit sich und ihren Schmerzen allein.
Bei manchen Verletzungen ist nämlich seelsorgerliche oder therapeutische Hilfe notwendig und es ist schade um jedes Jahr, das man ins Land ziehen lässt ohne sich seinen Verletzungen zu stellen.
4) Gott klagend die Verwundungen hinhalten
Wo Tränen sind, sollen sie auch fließen dürfen und auf keinen Fall heruntergeschluckt werden. Das sage ich auch immer den Trauernden vor der Beerdigung. Denn wer alles in sich hineinfrisst, wird wiederum von innen zerfressen.
Und weil Gott das weiß, lädt er uns ein, ihm unsere Verwundungen im Klagegebet hinzuhalten.
Das ist eine ganz wichtige Einsicht für unser Gottesbild:
Gott ist mein liebender Vater – ich darf ihm mein Leid klagen – er weiß ja ohnehin was mich bewegt und er möchte, dass es mir gut geht.
> Ich stelle mir das so vor: Wenn ein Kind bedrückt ist – wie sehr freuen sich die Eltern, wenn es sich ihnen endlich öffnet und anfängt zu erzählen.
Und meistens ist das dann auch ein erster Schritt zur Heilung.
Viele Psalmbeter des Alten Testaments haben die Form des Klagegebets als Befreiung in Anspruch genommen. Sie haben vor Gott ihr Leid hinaus geschrien.
„Ich bin so müde vom Seufzen; ich schwämme mein Bett die ganze Nacht und netze mit meinen Tränen mein Lager" klagt beispielsweise der Beter des 6. Psalms.
Und in Ps.62 lesen wir „Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke im tiefen Schlamm."
Vielleicht können diese Psalmen auch ihrer Klage Worte verleihen. Versuchen Sie es doch einmal.
Und seien Sie sich dabei gewiss, dass Gott keine Not, keine Angst und kein Schmerz fremd ist. Gottes Sympathie und Mitgefühl mit den Leidenden durchzieht die ganze Bibel!
Wenn wir im Schmerz aufschreien, dann schreit Gott mit uns und will uns trösten!
5) Sich nach Gottes heilender Liebe ausstrecken
Die Liebe ist die größte heilende Kraft in dieser Welt.
Wo wir wirkliche Liebe erfahren, da schließen sich innere Wunden.
Das kennen viel aus eigener Erfahrung:
BEISPIEL: Wenn mich als Kind meine Mutter getröstet hat und in den Arm nahm, dann war der Schmerz bald nicht mehr zu spüren – ob innerlich oder äußerlich!
Wenn uns jemand von ganzem Herzen liebt, uns in den Arm nimmt und tröstet, wie viel Schmerz wird dadurch schon gestillt.
Darum braucht jeder Mensch andere Menschen, die ihn lieben! Das ist ein echtes Menschenrecht!
Leider tragen wir Menschen diese Kraft der heilenden Liebe nur sehr gebrochen und unvollkommen in uns.
Aber nun stellen Sie sich bitte einmal vor, es gäbe eine unerschöpfliche Quelle heilender Liebe – im Bild gesprochen einen Bergquell mit Heilwasser, der ohne Unterbrechung Tag und Nacht sprudelt.
Haben Sie dieses Bild vor Augen?
Nun stellen Sie sich vor, Sie könnten sich mit ihren Verwundungen in dieses heilsam sprudelnde Wasser hineinstellen. Ein Strom heilender Liebe würde sie durchfließen, würde den Schmerz und die Verbitterung aus Ihnen heraus spülen.
Ein schönes Bild oder?
Die Bibel sagt, dass es diese Kraftquelle heilender Liebe tatsächlich gibt. Nämlich bei Gott – bei ihm ist die Quelle des Lebens (Ps 27).
Er will unsere Verletzungen mit der Kraft seiner Liebe heilen, er will verwundete Herzen gesunden lassen, will Groll und Verbitterung aus unserer Seele heraus waschen.
Er möchte, dass Sie und ich wirklich heil werden.
(Psalm 34,19:) „Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.“
Jesus verströmt diese heilende Liebe Gottes. Das ist auch der Grund, warum man ihn Heiland nennt, den Heil-macher.
Jesus hat sein Wirken selbst einmal mit der Arbeit eines Arztes verglichen.
ER lädt die, die heil werden wollen, zu sich ein und ruft auch uns zu:
„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken!" (Mt.11,28)
Sich nach Gottes heilsamer Liebe ausstrecken – zu Jesus kommen – wie sieht das ganz praktisch aus?
Jesus: „Lasst die Kinder zu mir kommen!“
Übertragen auf unser Thema kann man auch sagen: Lass das verletzte Kind in dir zu Jesus kommen – im Gebet. Sprich mit deinem Vater im Himmel als ein geliebtes Kind Gottes. So ein Gebet um innere Heilung kann man überall sprechen – ob allein oder im Beisein eines anderen Christen.
6) Die Verletzungen anderen nicht nachtragen
Es geht darum, nicht ständig verletzende Ereignisse neu aufrechnen.
Der ständig wieder kehrende Gedanke „das verzeihe ich ihm nie!“ – ist ein unheilvoller Satz!
Klar, vergessen können wir vieles nicht, aber es ist möglich, sich an verletzende Ereignisse zu erinnern, ohne den Schmerz jedesmal genauso stark wie am Anfang nachzufühlen.
Wenn wir Verletzungen anderen nachtragen, schädigen und strafen wir letztlich nur uns selbst, wenn wir nicht vergeben.
Wir halten am Groll und unserer Wut fest und erfüllen so unsere Seele mit Negativem, das die Heilung unserer Seele verhindert.
Wenn ich jemandem etwas nachtrage – kann man sich das ganz bildlich vorstellen:
Ich trage dann. Ich bin dann der Leid-tragende – der Nach-Tragende!
Tun Sie sich deshalb etwas Gutes: Vergeben sie denen, die sie verletzt haben.
Räumen sie Wut und Groll aus ihrem Herzen aus.
Vielleicht mit einem klärenden Gespräch, wo das noch möglich ist.
Das gelingt jedoch nur, wenn wir selbst die Kraft der Vergebung Gottes in unserem Leben erfahren haben. Dann können wir Vergeben und das Nachtrage auf-geben!
7) Sich mit der eigenen Geschichte aussöhnen
Viele Menschen rebellieren innerlich gegen Teile ihrer Biographie, gegen leiderfüllte Lebensabschnitte. Sie versuchen diese Erfahrungen wegzudrücken, und wie einen Wasserball unter Wasser zu halten, aber der kommt natürlich immer wieder hoch.
Hinzu kommt, dass viele nicht so recht wissen, wie sie das erfahrene Leid mit Gott in Verbindung bringen können. Das ist ein langes Thema. Hier nur so viel:
Ich glaube, das Leiden kommt nicht einfach aus Gottes Hand – aber Gott kann es in seine Hand nehmen und er will uns helfen, uns mit der eigenen Geschichte auszusöhnen.
Er möchte, dass wir wieder JA sagen können zu uns selbst – und auch zu unserem einzigartigen Lebensweg – mit allen Irrwegen!
Er möchte, dass wir ein JA finden zu den schmerzhaften Zeiten, die hinter uns liegen, und dass wir uns aussöhnen lassen mit unserer Biographie und ihren Brüchen, Ecken und Kanten.
Irgendwann muss ich Frieden schließen mit meiner Lebensgeschichte und auch mit Gott und mir selber! Ein wichtiger Schritt zur inneren Heilung, der sich aus meiner Erfahrung eher in kleinen Schritten vollzieht: Ich nehme den Weg an – trotz offener Fragen!
Und der letzte Schritt weist uns hoffnungsvoll in die Zukunft:
8) Wieder Gutes vom Leben erwarten
Es ist für die Heilung wichtig, dass wir wieder Vertrauen in die Zukunft aufbauen und damit auch Vertrauen zu Gott.
Wir dürfen Gott vertrauen, dass er selbst unsere Verletzungen in Segen verwandeln kann.
Beispiel: Manche Verletzungen meiner Seele haben mich z.B. empfindsamer für andere Menschen gemacht, denen es ähnlich geht und an manchen Stellen durfte ich für andere Menschen zum Segen werden.
Der letzte Schritt ist also der hoffnungsvolle Blick auf unseren großen Gott, den Schöpfer des Universums und meines Lebens:
Mit Paulus möchte ich uns zusagen:
Wenn Gott für mich ist – wer sollte gegen mich sein?
Wenn Gott für mich ist – wird er auch für die Heilung unserer Seele sorgen – zu seiner Zeit.
Lasst uns deshalb mit Gottes heilsamer Güte in unserem Leben rechnen!
Und auf die Zusage und Verheißungen Gottes hören, die in der Bibel geschrieben steht:
„Gott heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.“ (Ps 147, 3)
– AMEN!
Lasst uns beten…
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